Elfriede Kühle: Eine vom Jahrgang 1936
Beginnen wir mit einer kurzen Aufzählung: Die Schriftsteller Wolf Biermann und Mario Vargas Llossa, die Schauspieler Burt Reynolds und Robert Redford – sie alle wurden in jenem Jahr geboren, in dem in Berlin die Olympischen Sommerspiele inszeniert wurden – 1936. Auch Sepp Blatter wurde in jenem Jahre geboren – es scheint, als sorge der Jahrgang 36 immer wieder für Schlagzeilen.
Dass Männer keine Geschichte machen, wie es die Historiker einst plakativ postulierten, ist bekannt. Nun verfasste die Schönefelderin Elfriede Kühle ihre etwas mehr als 200 Seiten starken, chronologisch in Kurzgeschichten verpackten Memoiren, die mit beidem, Herzblut und Verstand, zu Papier gebracht wurden. Da ist ihr Vater, schwer verwundet bei Verdun, ein sportlicher, kerniger Kerl, der nur mehr mit Krücken durch die Welt humpelt. Später, auf einer Wanderung im Harz, wirft der Gärtner Hermann Friedrich Kühle, Vater von Elfriede Kühle, seine Krücken auf einer Wanderung im Harz einfach in den Talkessel. Mit Mühe und Not schleppt er sich zum Bahnhof, wo seine Schwester ihn abholt – mit einem Handwagen.
Da ist sie selbst, Elfriede Kühle, als Schulmädchen der fünften Klasse, als man das Brot mit Marken erwarb: Sie riecht plötzlich den Duft eines frischen, dreipfündigen Brotes aus dem Beutel eines Klassenkameraden; im richtigen Moment schnappt sie sich, zusammen mit ein paar anderen Mädels, ein Stück warmes Brot – eben ein Stück vom Glück in der zehrenden Nachkriegszeit.
Und genau diese Momente sind es, meine ich, die das Buch bereichern, Momente, die nüchtern erzählt werden, aber von einer substanziellen Tiefe sind. „Es kann sein, dass das meine Geschwister etwas anders sehen oder gesehen haben“, sagt Elfriede Kühle selbst über ihr Buch. Doch sie hat es ehrlich geschrieben und in dem Bestreben, der Wahrheit nahe zu kommen, aber einige Momente sind eben wahrer als andere. Und im Leben eines jeden Menschen gibt es diese Momente, die wie funkelnde Diamanten in einer dunklen Höhle aufleuchten, und Elfriede Kühle hat dem geneigten Leser einige dieser Momente vorgelegt. Ehrlich und wahrhaftig, mit Herzblut und mit kühlem Kopfe – aber auch unwahrscheinlich nah sind die Memoiren Elfriede Kühles verfasst.
Sie schreibt bis 2013 an dem Werk. In jeder Dekade ihres Lebens, in jedem Abschnitt ihres Buches werden neue Möglichkeiten und Herausforderungen aufgeworfen. Eine Auswahl ihres Fotoalbums stellt die Autorin im Anhang vor. Die letzte Geschichte, ein Bekenntnis zum Sport, der sie fit hielt und immer noch hält, nennt sie, einfach und vielschichtig, „Am Ball bleiben“.
Johannes Bolte
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