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Beginners: Uncut - Die Originalfassung Autor: Raymond Carver

Verlag: FISCHER Taschenbuch

Sonstiges: Übersetzt von Manfred Allié, Gabriele Kempf-Allié und Antje Rávic Strubel

Seitenzahl: 368 Seiten

  • Preisca. 13 €

Beginners: Uncut

What We Talk About When We Talk About Raymond Carver

Acht Uhr morgens am achten Juli 1980. Zitternd schreibt ein zerbrochener Autor an seinen Freund und Lektor einen seitenlangen Brief, der mit einer eindringlichen letzten Bitte endet: Stoppe die Herstellung des Buches! Er weiß, dass dieses Buch ihn eine jahrelange, wunderbare Freundschaft kosten kann. Er weiß aber auch, dass er vor seiner späteren Frau und seinen anderen Freunden das Gesicht verlieren wird, sollte das Buch in der Form erscheinen. Raymond Carver (1938-1988) – so hieß der Autor, der an jenem Morgen an seinen Lektor Gordon Lish schrieb. Carver, eine mehrfach gescheiterte Existenz, traf Lish vor 13 Jahren, als er bei einem Fachbuchverlag herumkrebste. Nun ging es – nachdem bereits Will You Please Be Quiet, Please? (deutsch: Würdest Du bitte endlich still sein, bitte …) und Furious Seasons erschienen war – um den Druck des dritten Buches mit short stories, das Carver nach einer darin enthaltenen Geschichte Beginners nennen wollte. Lish kürzte die 17 darin enthaltenen stories um mehr als die Hälfte, setzte ein anderes Ende, schrieb um, titulierte die Geschichten – darunter auch Beginners – anders: Das Rezept zum dauernden Ruhme Carvers. Das Buch, das seinen Namen im Gedächtnis kommender Generationen bleiben ließ, hieß nun What We Talk About When We Talk About Love (deutsch: Wovon wir reden, wenn wir von Liebe reden). Die darin enthaltenen stories waren in diversen Literaturmagazinen teilweise in den ursprünglichen Versionen, teilweise bereits versehen mit Gordon Lishs Lektorat, erschienen; Tess Gallagher, Lebensgefährtin Carvers, und einigen Freunden waren die stories nur in der Manuskriptform bekannt. Die gesammelten Geschichten nach diesem genialen (man scheut sich angesichts des Ergebnisses, attributiv „verstümmelten“ zu ergänzen!) Lektorat Lishs zu veröffentlichen, schien Carver nun ganz und gar unmöglich: Er befürchtete, sich die Blöße zu geben. Ihn bedrückte die Vorstellung, seine stories würden erst durch das Lektorat Lishs zu einem Kunstwerk, vor allem aber bedrückte ihn die Vorstellung, die engste Schar der Nächsten wüsste, dass es so wäre. Das Buch erschien – trotz des vehementen Widerspruchs und arger Zweifel des Autors. So wurde Carver wohl populärster Vertreter eines neuen Minimalismus, eines K-Mart Realism, dessen bewusste Aussparungen bedrückend, die zwischenmenschlichen Verhältnisse abbildeten. Carvers Charaktere waren verlassene Ehemänner und Trinker, dazwischen einige Exoten: Ein Mann ohne Arme, der Fotos von Häusern verkauft; zwei Freunde, die alles, auch die Abgründe der Existenz, teilen… um nur einige zu nennen. Vor gut einem Jahr konnte der S. Fischer Verlag nun endlich eine Lücke schließen. An der Übersetzung der ungekürzten, von Lish nicht lektorierten Version der Geschichten, werden nicht nur Carver-Liebhaber ihre Freude haben. Sie sind direkter. Sie sind authentisch. Sie sind, wie der Verlag reißerisch aufstempelte, uncut – und darüber hinaus versehen mit wertvollen Anmerkungen zur Publikationsgeschichte der einzelnen stories und einem Kommentar von Harte Schnitte über die tragische Geschichte eines famosen Lektorates. Carvers Zerrissenheit wird abschließend großartig mit Auszügen aus dem Briefwechsel von Raymond Carver und Gordon Lish illustriert – quasi als Geschichte hinter den Geschichten. Er fürchte, schreibt Carver da an jenem achten Juli 1980 zum Beispiel elektrisiert, er verliere seine Seele und seine geistige Gesundheit, wenn das Buch erscheine. Doch er schrieb weiter. Und schenkte der Welt noch ein paar Geschichten mehr.

Johannes Bolte


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