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Autor: Tom Cooper

Verlag: Ullstein

Seitenzahl: 384 Seiten

  • Preisca. 22 €

Neues aus dem Sumpfland

Tom Coopers furioses Roman-Debut

Die amerikanische Erzähl-Fabrik steht derzeit der Filmindustrie Hollywoods in nichts nach. Mit Preisen wie dem Edgar-Allen-Poe-Award werden hier etwa seit 1946 die besten Debut-Romane ausgezeichnet. Tom Cooper, dessen Erstling „The Marauders“ (2015) nun im Ullstein-Verlag in deutscher Übersetzung unter dem unnötig pathetischen Titel „Das zerstörte Leben des Wes Trench“ erschien, gehört nicht einmal zu den Nominierten. Stattdessen hat er „nur“ den Crook’s Corner Award, dotiert mit einem Preisgeld von 5000 Dollar und einem gratis-Glas Wein für ein Jahr gewonnen, ein Preis, der sich der Tradition des amerikanischen Südens verpflichtet fühlt.
Wie in so vielen großen amerikanischen Romanen erhebt Cooper die Landschaft zum Protagonisten. Jack Londons Klondike, Hemingways Illinois, Steinbecks Kalifornien. Und jetzt Tom Coopers Bayou. Der unergründliche Sumpf im Bundesstaat Louisiana: eine unwirkliche Gegend. Die Zivilisation hält nur schleichend Einzug in der alteingesessenen Gemeinschaft, die ihr Tagwerk überwiegend mit dem Shrimpfang in den Sümpfen des Mississippi-Delta am Golf von Mexiko fristet; eine schweißtreibende Arbeit in sengender Hitze, die Generation für Generation zum Überleben ausreichte. Nach dem Hurrikan Katrina 2005 wird die Bevölkerung im Bayou auch noch von einer zweiten existenziellen Plage heimgesucht: der Ölpest im Golf von Mexiko (2010). Hier setzt der Roman „Das zerstörte Leben des Wes Trench“ ein.
„Das zerstörte Leben des Wes Trench“? Der übersetzte Titel klingt etwas nach dem zwanghaften Versuch, einen ominösen Bezug zur Hemingway’schen Meister-Short-Story „Das kurze und glückliche Leben des Francis Macomber“ zu konstruieren und spiegelt die Handlungsstränge des Romanes nur begrenzt wieder. Denn in „The Marauders“ – also die Marodeure“, wie man korrekterweise übersetzen müsste – geht es nicht nur um den halbwüchsigen Fischersohn Wes Trench, der die Sümpfe und den Shrimpfang liebt und von einem eigenen Shrimp-Boot träumt, sondern um ein ganzes Panoptikum knallharter Protagonisten, die konsequent nach der Maxime „Leben und leben lassen“ agieren. Da ist Wes‘ alleinerziehender Vater, der seine Frau – Wes‘ Mutter – beim großen Hurrikan verlor, dem nun klägliche Shrimpfänge, die Vergangenheit und sein Temperament zu schaffen machen. Da sind die Zwillingsbrüder Toup, die auf einer abgelegenen Insel in den Sümpfen Marihuanapflanzen anbauen und zum Erhalt ihres Geschäftes auch über Leichen gehen. Da sind zwei Kleinkriminelle, die das schnelle Geld machen wollen und nach der Insel der Brüder Toup, einer Nadel im Heuhaufen, gieren, und ein einarmiger, tabletten- und alkoholsüchtiger Fischer, der seit Jahren nach dem Piratengold des französischen Freibeuters Jean Lafitte sucht und der Plantage der Brüder dabei bedenklich nahe kommt. Und schließlich – der vielleicht größte Marodeur des Buches – ist da der BP-Angestellte Brady Grimes, der unter einem Heimat-Komplex leidet. Er verachtet die Sümpfe, seine Heimat – deshalb lebt er in New York – und ihre Bewohner, die er mit einer lächerlichen Summe abspeisen und den Ölkonzern somit vor weiteren Schadensersatzforderungen schützen soll. Getrieben sind die Protagonisten von Hass und Verachtung, der Sucht nach Geltung und Geld, der ewigen Suche nach etwas, das es vielleicht gar nicht gibt: In diesem Buch sind alle Akteure mehr oder minder Marodeure.
In den Medien wurde der Roman positiv aufgenommen, wenngleich recht wenig in den deutschen Feuilletons besprochen. Stephen King jedenfalls bezeichnete Tom Coopers düstere Geschichte als „one hell of a novel“. Um ein persönliches Statement abzugeben: Ich habe lange keinen Roman mehr gelesen, der mich so sehr fesselte, szenisch geschrieben in einer nüchternen Sprache, gewürzt mit einer Portion Südstaaten-Humor, plastisch wie ein Rodin und so direkt, wie ein guter amerikanischer Autor nur sein kann.

Johannes Bolte


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