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F Autor: Daniel Kehlmann

Verlag: Rowohlt Verlag

Seitenzahl: 384 Seiten

  • Preisca. 23 €

F

Schatten seiner selbst – Daniel Kehlmanns neuer Roman

Den medialen Stoff aktueller Ereignisse kunstvoll in die Literatur einzuflechten ist ein probates Mittel, die Aufmerksamkeit eines gegenwärtigen und die intensive Auseinandersetzung mit der vergangenen Gegenwart eines zukünftigen Publikums zu erzeugen. Und Daniel Kehlmann muss wohl davon ausgegangen sein, dass sein neuester Roman „F“ auch für künftige Generationen von Interesse sein wird, ist er doch der Autor des meistbeachteten deutschen Buches seit Jahrzehnten, der „Vermessung der Welt“. Vielleicht sind seine Anspielungen deshalb so indiskret, so offensichtlich – damit wirklich jeder Leser ein Aha-Erlebnis beim Lesen hat.„F“ – das bedeutet bei Kehlmann Fatum, das Schicksal einer Familie namens Friedland, aber auch den Verweis auf Orson Welles letzten vollendeten Film „F wie Fälschung“. Arthur Friedland, gescheiterter Autor, der seine Existenz in müßigem Nichtstun fristet, geht mit seinen drei Söhnen – Martin, dem Sohn aus erster Ehe, und den Zwillingsbrüdern Eric und Iwan – zum Hypnotiseur. So die interessante Eröffnungsszene, die Kehlmann erdacht hat. Es folgt die Schilderung eines Tages im Leben der Söhne aus den drei unterschiedlichen Perspektiven, an dem sich die Ereignisse überschlagen. Dabei sind die unschönen Seiten unserer Zeit stets präsent. Die Finanzkrise von 2008, der Tod Dominik Brunners und die Geschichte des Kunstfälschers Wolfgang Beltracchis, dazu die Krise der katholischen Kirche sind der Stoff, an dem Kehlmann ruckelt und zerrt, bis er in sein Konstrukt passt. Aus den Brüdern werden ein Priester, der nicht zu glauben vermag, ein hochstaplerischer Vermögensverwalter und ein charismatischer Kunstfälscher; aus dem Vater wird ein erfolgreicher Autor. Typisch Kehlmann: Er schreibt am überzeugendsten über Schriftsteller und Maler. Hätte der Autor seinen Roman später geschrieben, wäre sicherlich auch die Affäre um Cornelius Gurlitt verwoben worden. Wenn sich der Autor aber auf ihm unbekanntes Terrain begibt, wackelt sein Konstrukt. Die Jugendsprache, die Kehlmann den Teenagern seines Romans in den Mund legt, wirkt aufgesetzt. Sie tragen „Schirmkappen“ oder „Schirmmützen“ statt Basecaps. Darüber hinaus (wenn wir schon über die Gegenwart sprechen, müssen wir auch die Gender-Debatte thematisieren) scheint Kehlmann noch immer nicht die plastische, ausdrucksstarke Frauen-Figur gefunden zu haben. Stattdessen verlustiert sich Kehlmann in Verweisen auf Thomas Manns „Mario der Zauberer“, Chestertons „Father Brown“, Dantes Höllenschlund, ja Dostojewskis „Brüdern Karamasow“. Wer aber einen Familienroman von diesem Format oder von dem der Buddenbrooks erwartet, wird enttäuscht werden. Kehlmann hat keinen Familienroman geschrieben, ebenso wenig ein Panorama einer Zeit. Dazu ist der Blickwinkel zu begrenzt. „Firlefanz“, wie in Feuilletons flapsig formuliert wurde, liegt hier jedoch nicht vor, sondern vielmehr das Produkt eines Schriftstellers, von dem zu viel erwartet wurde, der zugleich an sich selbst zu hohe Ansprüche stellte, die er nicht erfüllen konnte. Mit seinem neuen Roman ist Kehlmann selbst zu einer seiner seltsamen, unfreiwillig komischen und zugleich tragischen Künstler-Figuren geworden, die er so schillernd zu schildern pflegt. Doch eine lange Zeit der Textproduktion liegt noch vor Daniel Kehlmann. Das eine oder andere wunderbare Stück à la „Mahlers Zeit“ wird seiner Feder hoffentlich entspringen.

Johannes Bolte


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