von Delphine Coulin
„Worüber man nicht reden kann, darüber muss man reden. Das klingt zwar nicht so elegant, aber die Wahrheit ist nie elegant.“ – Diese Worte legte der Autor Robert Schneider in dem Stück „Dreck“, ein dramatischer Monolog aus dem Jahre 1993, seinem irakischen Protagonisten in den Mund. Es war dies der Versuch, auf die prekäre Situation der Einwanderer in Österreich hinzuweisen. Über ein ähnliches Thema hat die französische Regisseurin und Autorin Delphine Coulin geschrieben – ein Thema, das in der französischen Belletristik bislang kaum eine Rolle gespielt hat: über Afrikaner in Paris. Die Geschichte ist, ohne vorzugreifen, schnell erzählt: Samba Cissé, ein Mann im besten Alter, hat vor zehn Jahren den beschwerlichen Weg von Bamako nach Paris gewagt. Alles erscheint dem Neunzehnjährigen besser als die von inneren Unruhen und gewaltreichen Konflikten mit den Tuareg geprägte Hauptstadt der Republik Mali. Nach zehn Jahren unter falschen Namen, in denen er in einer Keller-Absteige mit seinem Onkel zusammenlebt, will Samba endlich den „legalen“ Status als Einwanderer haben und stellt einen entsprechenden Antrag. Doch Samba eckt – hier fühlt man sich beinahe an Kafkas Prozess erinnert – bei der französischen Bürokratie an: Als Samba in der Polizeipräfektur verhaftet wird, weiß er nicht, warum, noch was mit ihm geschieht. An dieser Stelle wird die Autorin aktiv, die gerade ehrenamtlich bei einer Flüchtlings-Hilfsorganisation praktiziert. Sie soll Samba davor bewahren, abgeschoben zu werden. Dieser indessen schlägt sich durch die Weltgeschichte, schließt neue Freundschaften und verliebt sich in die bezaubernde Kongolesin Gracieuse. Der Titel ist tiefsinnig: „Samba für Frankreich“ – das deutet auf den Patriotismus Sambas für seine neue Heimat einerseits, andererseits auf den starren Stumpfsinn der französischen Bürokratie ihm gegenüber hin. Samba – das ist frischer Wind, Musik und Tanz – auch wenn der Samba aus Brasilien kommt. Es ist eine Geschichte, die bewegen soll; eine einfache Geschichte, die immer funktioniert – wenn sie nicht an einigen Stellen von einer blumigen Sprache überzeichnet wäre. Es ist mutig, dass Coulin ein Buch über diese Thematik vorlegt – aber es gibt Grenzen, welche die kreative Imagination zu überwinden einfach nicht in der Lage ist. Ihr Roman ist ein Dialog aus ihrer Geschichte und der Sambas – und hierin liegt das Problem. Coulin schreibt als französische Autorin über einen malischen Einwanderer; es ist jedoch ihr Bewusstseinsstrom, es sind ihre Assoziationen und Gedanken, die sie Samba zugunsten sensibler, romantischer Rührigkeit auf Kosten der Authentizität denken lässt. Trotzdem hat der Aufbau-Verlag einen großen Wurf getan, der einige Leser zum Denken und Handeln anregen dürfte, und ein gutes Gespür bewiesen. Denn unter dem Namen „Heute bin ich Samba“ läuft der Film gerade in den deutschen Kinos. Dass der Film zum Buch einige Änderungen zur Vorlage aufweist, darf wohl als Zugeständnis an die kleinen Ecken und Kanten des Buches betrachtet werden. Es ist schlicht zu elegant, was Coulin schreibt, und die Wahrheit, wie wir nun wissen, ist nie elegant.
Johannes Bolte
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